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Liebesschlösser in Graz – per sempre?

Eigentlich sollte dieser Text ein Lobgesang an Graz werden.

„Angesichts des aktuellsten Ereignisses die Aneignung öffentlichen Raums betreffend – der Pavillon im Grazer Stadtpark – ist die Tatsache, dass die Grazer Liebesschlösser bisher undiskutiert und unangetastet geblieben sind, ein positives Beispiel“, schrieb ich da.

Es war eine schöne Geschichte über die Entstehung der Liebesschlösser, die Debatten darum in Österreich, Deutschland und Italien.

Dann wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Grazer Stadtregierung sich, genauso wie die Stadtregierung Salzburgs, ungefragt an den Grazer „love locks“ vergriffen hatte.

Gerhard Egger, Leiter der Grazer Wirtschaftsbetriebe begründete die Entfernung der Liebesschlösser an der Hauptbrücke damit, diese würden ein Sicherheitsrisiko darstellen. "Schließlich könnte der Nächste kommen und sich von der Brücke abseilen, um Graffiti zu sprühen", meinte er, laut Artikel der Kleinen Zeitung vom 15.11.2010. [1]

Darüber ein Foto: Ein Vormittag im November – stolz blickt der Arbeiter im neon-orangen Anzug, einen Griff des Bolzenschneiders in Händen, in die Kamera, der andere, den zweiten Griff des Bolzenschneiders fest umklammert, mit verbissenem Gesicht.

Im Folgenden möchte ich versuchen zu erklären, was Liebesschlösser mit Graffiti und CDs mit Tennisschlägern zu tun haben.

Ich wuchs bei einer Mutter auf, die Phänomene der „Jugendkultur“ (ein schwieriger Begriff, ich weiß, aber sei’s der Einfachheit halber drum) mit wenig Verständnis betrachtete und tendenziell ablehnte. Also wurden Lieblingshosen abgeschnitten, Schuhe versteckt und Räucherstäbchen weggeschmissen. Letztere mit den Worten: „Dieses Mal kommst du mit Räucherstäbchen, das nächste Mal mit Marihuana.“

Ein Freund kommentierte dieses Argument folgendermaßen: „Das ist so, als würde man sagen: ‚Dieses Mal kommst du mit einer CD, das nächste Mal mit einem Tennisschläger.‘“ Was er meinte, war, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hatte – für meine aber Mutter schon: Räucherstäbchen widersprachen ihrem Verständnis von „normal“ und sie empfand den Rauch und den Geruch (weil ungewohnt) als störend. Dementsprechend verglich sie sie mit etwas, das in ihrer Erfahrungswelt ähnlich, aber noch verbotenerer war – und boykottierte dieses Ungewöhnliche, Verbotene, indem sie es eliminierte.

Gerhard Eggers Vergleich von Liebesschlössern mit Graffiti ist gleich absurd – aber vor dem oben beschriebenen Hintergrund verständlich: Dieses Neuartige, Sinnlose, das Auge Störende, das man noch dazu – einfach so ohne zu fragen in Eigenmacht handelnd – in das Stadtbild eingebracht hatte, musste entfernt werden (so, wie die Punks am Hauptplatz und neuerdings auch im Stadtpark).

Graz ging seiner Schwester Salzburg als Negativ-Beispiel voraus. 2011 ließ das Magistrat Salzburg 42 Schlösser vom Drahtzaun des Markatstegs entfernen. Baustadträtin Claudia Schmidt (ÖVP) erklärte dies später als einen Fehler und meinte: "Sofern es nicht irgendwie in Vandalismus oder ein Gefährdungspotenzial ausartet, halte ich es für einen reizenden und romantischen Brauch [...]“ [2]

Es ist verständlich, dass man um die Statik der Brücken besorgt ist. Auch leuchtet ein, dass man an einen Laternenpfahl, der unter dem Gewicht der metallenen Liebe schon ächzt und krächzt (an der Milvischen Brücke in Rom soll, dem Gewicht seiner Liebesschlösser erliegend, ein Brückenpfeiler eingestürzt sein), nicht noch mehr Schlösser hängen sollte. Aber erstens werden die Schlösser aus einer gutwilligen Intention heraus an die Brücken gehängt, weshalb von Vandalismus keine Rede sein kann. Zweitens ist das „Gefährdungspotenzial“ für den Salzburger Markatsteg bei 43 Schlössern (ein Schloss blieb hängen, weil es dem Bonzenschneider trotzte) äußerst fragwürdig.

In Berlin wird in Bezug auf die Schlösser von „Ordnungswidrigkeit“ gesprochen, die mit Verwarnungsgeldern von bis zu 35 Euro geahndet wird. Hier geht es also auch nicht um „Gefährdungspotenzial“, sondern darum, dass den Stadtverantwortlichen die Mitgestaltung der Stadt durch ihre BürgerInnen ein Dorn im Auge ist.

Das verhärtet den Eindruck, dass es bei der Debatte um die Liebesschlössern, hier im Falle Salzburgs und Grazens, um die eigenmächtige Gestaltung öffentlichen Raums ging – und nicht um „Gefährdungspotenzial“. Womit die VandalInnen auf der Seite der Politik und nicht auf jener der BürgerInnen zu suchen und zu finden sind.

Letzten Endes haben sich sowohl Grazer als auch Salzburger Stadtverantwortliche (aus Wien sind keine Liebesschlösser an Brückengeländern und Ähnlichem bekannt) mit den „love locks“ abgefunden und sich sogar mehr oder weniger für ihre Maßnahmen entschuldigt – aber zuvor mussten sie die Liebesschlösser zerstören.

Was mich zu einer weiteren Überlegung bringt: Warum überlegten die PolitikerInnen nicht bevor sie eine Handlung setzten? Wieso machten sie etwas kaputt, das andere gestaltet hatten und sagten dann: „Na, is‘ eigentlich eh net so schlimm. Dürft’s weitermachen.“ Gerhard Egger meinte später wohl, „dass das Vorgehen möglicherweise doch ein wenig überzogen war. Sollte das touristisch so attraktiv sein, lassen wir die nächsten Schlösser vielleicht ja doch oben hängen.“[3]

Es macht den Anschein, als wären die sogenannten MachthaberInnen beleidigt gewesen, dass man sie nicht gefragt hatte. Die Vermutung liegt nahe, dass die Entfernungsaktionen in Graz und Salzburg Machtausübung und –demonstration waren – um zu verdeutlichen, wer in dieser Stadt die Hosen an hat. Sie sollten davor warnen, sich öffentlichen Raum eigenmächtig und außerhalb des vorgegebenen Rahmens anzueignen.

Schön finde ich etwa Moskaus Kompromiss, eigene Baum-Silhouetten aus Metall für die Liebesschlösser aufzustellen. Obwohl die Stadt das Phänomen von neutralen öffentlichen Orten, also Brücken u. ä., die nicht für die Schlösser vorgesehen sind, wegbringt, gibt es ihm dennoch einen Platz, an dem es bleiben kann und schließt so auch eine Gefährdung der Verkehrssicherheit aus.

Was darf man für Graz hoffen?


Zum Weiterlesen:
http://diepresse.com/home/leben/reise/730211/Die-Grazer-Liebesschloesser-boomen-weltweit-
http://de.wikipedia.org/wiki/Liebesschloss



[1] http://www.kleinezeitung.at/g7/2557359/fuer-liebe-nicht-aufgeschlossen.story
[2] http://sbgv1.orf.at/stories/514932
[3] http://www.kleinezeitung.at/g7/2557359/fuer-liebe-nicht-aufgeschlossen.story




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Text u Bild: kateřina černá:
Ich bin eine große Träumerin, ewige Pläneschmiederin, Künstlerin, Freundin, Schwester, Sängerin, Meer- und Kaffee-, Liebhaberin, Schriftstellerin auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie spät es jetzt wohl in Ulaanbaatar ist.

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[Kolumne/katerina cerna/18.06.2012]





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